Seit 1953 bringt die Alexander von Humboldt-Stiftung die besten Forschenden der Welt nach Deutschland. Präsident Robert Schlögl über die Kraft von Netzwerken und die Rolle der Wissenschaft im Kampf gegen die Erderwärmung.
Herr Schlögl, was braucht die Wissenschaft um einen Beitrag zu Lösung der globalen Herausforderungen zu liefen?
Wissenschaft funktioniert grundsätzlich nur als globale Unternehmung. Erkenntnisgewinnung durch Falsifikation geht nur, wenn man aus sehr verschiedenen Richtungen auf ein und dieselbe Sache blickt. Sind die Perspektiven fachlich oder national verengt, gehen die größeren Zusammenhänge schnell verloren. Der Klimawandel etwa berührt so viele verschiedene Aspekte, dass dessen Bekämpfung ohne eine ganzheitliche Herangehensweise vollkommen hoffnungslos würde. Das Netzwerk der Alexander von Humboldt-Stiftung ist hervorragend aufgestellt, weil es eben nicht disziplinär oder national ausgerichtet ist. Alles hängt mit allem zusammen, wie Humboldt schon sagte.
Der globale Süden ist von den Folgen des Klimawandels besonders betroffen. Zugleich sind diese Länder in der Spitzenwissenschaft unterrepräsentiert, zum Teil auch im Netzwerk der Humboldt-Stiftung…
Und das zu ändern, ist eines meiner Ziele. Exzellente Wissenschaft sollte keine Frage der Geografie sein. Aber die Umstände, unter denen man arbeitet, sind verschieden. Ich habe beispielsweise großen Respekt gegenüber den Forschenden in Afrika, die ich kennenlernen durfte und die unter wirklich schwierigen Bedingungen Hervorragendes leisten. Afrika hat ein riesiges Potenzial, nicht nur als Lieferant von grüner Energie, sondern auch in der dazugehörigen Forschung und Entwicklung. Unsere Rolle als Förderer ist es, afrikanische Forschende zu unterstützen, eigene Systeme aufzubauen: beispielsweise bei der Produktion von grüner Energie mitsamt der dazugehörigen Forschung und Entwicklung. Ob die Energiewende weltweit gelingt, wird sich in Afrika entscheiden. Die Forschung in Deutschland verliert dadurch, dass wir dieses Potenzial nicht genug einbinden.
Ihr Forschungsgebiet ist die Energiewende. Wie gut ist Deutschland für den Wandel gerüstet?
Bei der Energiewende ist Verlässlichkeit extrem wichtig. Denn es geht um Anlagen, die groß sind, teuer, auch gefährlich. Da darf man keine Fehler machen. Das ist etwas, was wir in unserem Land gut können, also mit großen, komplexen Systemen umgehen und diese verlässlich designen. Wo wir uns dagegen schwertun, ist, die Schnittstelle zwischen Regulation und Technologie richtig hinzubekommen.
Inwiefern?
Wir hören jeden Tag, wir müssen schneller werden. Und gleichzeitig schaffen wir in Deutschland neue Regeln, die uns bremsen. Da werden neue LNG-Terminals in Betrieb genommen und erhalten aus irgendwelchen Gründen anfangs nur die Genehmigung, vier Stunden am Tag zu laufen. Was soll das? Kein Land der Welt würde auf die Idee kommen, für den Fall eines Gasnotstands der Abhilfe so eine Begrenzung aufzuerlegen.
Ist Überregulierung ein deutscher Standortnachteil?
Wir schränken uns durch regulatorische Rahmenbedingungen einfach irrsinnig ein. Da ist viel Ideologisches unterwegs, und das ist völlig unbrauchbar, wenn man neue Lösungen sucht. Das ist ein Nachteil gegenüber Konkurrenten wie den USA. Dort gehen sie hemdsärmeliger an die Sache ran, machen dabei möglicherweise auch ganz viele Fehler. Aber sie machen es halt – schnell und pragmatisch. Beides sind keine charakteristischen Eigenschaften des deutschen Systems. Wir brauchen einen vernünftigen Mix aus deutscher Gründlichkeit und amerikanischem Hands-on! Das ist das Gute am Wissenschaftsaustausch à la Humboldt. Wir können viel voneinander lernen.
PROFESSOR DR. ROBERT SCHLÖGL ist seit Januar 2023 Präsident der Humboldt-Stiftung. Bis Ende März 2023 war er Direktor am Fritz-Haber-Institut in Berlin. Zuvor lehrte und forschte er als Professor für Anorganische Chemie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und war von 2011 bis 2022 Gründungs- und geschäftsführender Direktor am Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr. Er ist Vizepräsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und Mitglied mehrerer anderer Akademien, so auch Fellow der Royal Society of Chemistry in London.
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