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KREBSPRÄVENTION

Evidenzbasierte Rauchentwöhnung stärken

Von Simone Dyllick-Brenzinger

Es wird wieder mehr geraucht in Deutschland: Seit 2020 ist der Anteil der Rauchenden von 25 auf 34 Prozent gestiegen.
 

Rauchen ist nach wie vor der größte Krebsrisikofaktor. Und das Thema bleibt hochrelevant, denn: In Deutschland wird wieder mehr geraucht, auch und gerade bei jungen Menschen. Hinzu kommt: Beim Versuch, mit dem Rauchen aufzuhören, greifen viele zu E-Zigarette und Co, obwohl diese nicht als Entwöhnungsprodukte zugelassen sind und die Nikotin-Abhängigkeit aufrechterhalten.

Was sind die Gründe dafür und wie können evidenzbasierte Methoden zur Rauchentwöhnung gestärkt werden? Ein Thema, das am Donnerstag auf dem 36. Deutschen Krebskongress diskutiert wurde.

Es wird wieder mehr geraucht in Deutschland, und dabei wird nicht nur zur Zigarette gegriffen, sondern auch zu Tabakersatzprodukten – oder auch zu beidem parallel. „Aktuell liegt der Anteil der Rauchenden in Deutschland bei knapp 34 Prozent“, berichtete Dr. Stephanie Klosterhalfen von der Universität Düsseldorf. Klosterhalfen koordiniert die sogenannte DEBRA Studie, eine repräsentative Befragung, in der das Rauchverhalten in Deutschland erhoben wird.

Tabakersatzprodukte immer beliebter

Die DEBRA-Daten zeigen, dass das Rauchen lange rückläufig war. Im August 2020 rauchte in Deutschland jede*r Vierte, dann aber ging der Anteil wieder nach oben. Und: Geraucht wird insbesondere bei jungen Erwachsenen. Bei den 18-24-Jährigen rauchen 38 Prozent, bei den 14-17jährigen 15 Prozent. Hier wird zunehmend auch zu Tabakersatzprodukten gegriffen, die in der DEBRA-Studie ebenfalls erfasst werden und zu denen E-Zigaretten, Shishas oder Nikotin-Patches gehören, deren Anteil seit 2020 kontinuierlich steigt. „Vor allem bei Einweg-E-Zigaretten ist ein starker Anstieg zu verzeichnen“, so Stephanie Klosterhalfen. „Künftig könnte auch die Legalisierung von Cannabis eine Rolle spielen, da dieses häufig zusammen mit Tabak konsumiert wird.“

Im Rahmen der DEBRA-Studie werden nicht nur der Tabakkonsum, sondern auch Rauchstoppversuche erfasst. „2016 hatten rund 30 Prozent in den zurückliegenden 12 Monaten versucht, aufzuhören – dieser Wert ist dann im Januar 2023 auf 6 Prozent gesunken, steigt jetzt aber wieder leicht an“, so Klosterhalfen. Von denen, die aufhören, nutzen aktuell weniger als 10 Prozent evidenzbasierte Methoden zur Rauchentwöhnung wie sie etwa in der entsprechenden S3-Leitlinie definiert sind, also Beratung und Pharmakotherapie (beispielsweise Nikotinpflaster oder das Ersatzpräparat Veraniclin). Anhand der DEBRA-Daten wird in einer aktuellen Studie außerdem ausgelotet, ob eine Kostenerstattung dazu führt, dass mehr Rauchende erfolgreich einen Rauchstopp unternehmen. Aus den Ergebnissen könnten sich dann möglicherweise entsprechende Handlungsempfehlungen ableiten lassen.

Rauchen ist führender Krebsrisikofaktor

Doch wie würde sich weniger Tabak auf die Prävalenz von Krebs auswirken? Rauchen sei der führende Krebsrisikofaktor in Deutschland, so Prof. Dr. Ute Mons von der Universität Köln. 12 Krebsarten hingen nachweislich kausal mit dem Rauchen zusammen. „20 Prozent aller Krebsfälle in Deutschland sind auf das Tabakrauchen zurückzuführen“, so Mons weiter. In ihren Studien modelliert sie, wie sich regulatorische Maßnahmen – etwa eine höhere Tabakbesteuerung, ein umfassendes Werbeverbot, „Plain Packaging“ oder Sponsoring- und Marketingverbote, auch für neuere Produkte, auf die Krebsprävalenz auswirken. In einem Szenario für Deutschland rechnet sie vor, dass durch strengere Maßnahmen über einen Zeitraum von 30 Jahren hinweg über eine Million tabakbedingte Krebsfälle verhindert werden könnten.

Regulatorische Maßnahmen würden Krebslast senken

„Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die zu erwartende Krebslast in Deutschland und Europa durch die Umsetzung nachweislich wirksamer regulatorischer Maßnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums langfristig erheblich reduziert werden könnte“, so Mons abschließend. Die Forderung an die Politik ist klar: „Es sollten wirksame regulatorische Maßnahmen zur Tabakkontrolle ergriffen werden, zumal Tabakrauchen auch ein zentraler Risikofaktor weiterer nicht-übertragbarer Krankheiten ist.“

Doch wie lässt sich die Rauchentwöhnung stärken? Hierzu referierte auf dem Deutschen Krebskongress Christa Rustler, Geschäftsführerin für das „Deutsche Netz Rauchfreier Krankenhäuser & Gesundheitseinrichtungen“, die in Kliniken und weiteren Settings im Gesundheitswesen die Implementierung des „rauchfrei tickets“ begleitet.

Das „rauchfrei ticket“ ist ein niedrigschwelliges Angebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, das sich an Praxen und Kliniken richtet und damit Patient*innen einen direkten Zugang zur evidenzbasierten und kostenfreien Rauchstoppberatung am Telefon anbietet. „Die Telefonnummer ist auf jeder Zigarettenpackung abgedruckt“, so Rustler – und die Abstinenzquoten, die Betroffene nach einer durchlaufenen Beratung erreichen, seien beachtlich.

Niedrigschwellige Rauchentwöhnungsangebote

Rustler zeigte weiterhin auf, inwiefern Rauchentwöhnung in Kliniken und Praxen ganz konkret unterstützt werden kann. Gerade eine Diagnose oder ein Klinikaufenthalt würden die Gelegenheit zur Reflexion bieten – Rustler sprach hier von einem „teachable moment“. Nach einer Krebsdiagnose mit dem Rauchen aufzuhören, ließe die Mortalität um 35 Prozent sinken. Und dennoch, so Rustler, würden 30 Prozent der Betroffenen auch nach einer Krebsdiagnose weiter rauchen. Genau hier sollten Behandelnde ansetzen – und das müsse entsprechend strukturell integriert werden. Ihr Appell: „Die S3-Leitlinie empfiehlt, mit allen Patient*innen übers Rauchen zu sprechen!“ Es brauche mehr niedrigschwellige Rauchentwöhnungsangebote – denkbar wäre, diese in die bestehenden Disease Management Programme (DMPs) aufzunehmen.

Viele Raucher*innen fühlten sich allein gelassen, so Rustler – und auch bei den Behandelnden würde es die Selbstwirksamkeit stärken, wenn sie ihren Patient*innen ein evidenzbasiertes Unterstützungsangebot unterbreiten könnten. Dazu gehören – das machte Dr. Katrin Schaller vom Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg deutlich – keine Tabakersatzprodukte.

E-Zigaretten kein zugelassenes Entwöhnungsprodukt

Schaller zeigte auf, dass es sich bei alternativen Nikotinsystemen nicht um geprüfte Medizinprodukte handele. Kein einziges der neuen Produkte sei als Entwöhnungsprodukt zugelassen, alle enthielten Nikotin und hätten damit ein hohes Abhängigkeitspotenzial.

„Zwar finden sich weniger Schadstoffe im Aerosol, es gibt aber dennoch Gesundheitsrisiken, die sich erst langfristig beurteilen lassen werden“, so Schaller. Schaller benannte hier vor allem zwei Probleme: Den Anstieg der Nutzung bei jungen Menschen und die Tatsache, dass häufig Zigaretten und neue Produkte parallel konsumiert werden, der sogenannte „duale Konsum“. „Die Tabakindustrie verkauft die Tabakersatzprodukte als Problemlöser“, so Schaller abschließend, „aber tatsächlich dienen sie weniger der Schadstoffreduzierung als vielmehr der Gewinnmaximierung der Unternehmen.“

Weitere Informationen zu den Themen Nichtrauchen und Tabakprävention finden Sie auf der Website der Deutschen Krebshilfe.

 

 

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