Ob mundgeblasenes Glas aus Bayern, handbemaltes Porzellan aus Sachsen oder Blaudruckstoffe aus Niedersachsen: In vielen Regionen Europas prägen handwerkliche Erzeugnisse bis heute das kulturelle Erbe – und bieten wertvolle wirtschaftliche Perspektiven. Seit dem 1. Dezember 2025 können ihre Namen erstmals EU-weit als geografische Angaben für handwerkliche und industrielle Produkte angemeldet werden. Die neue Regelung, betreut vom Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), schafft damit ein rechtliches Instrument, das bislang Agrarprodukten vorbehalten war.
Ein Stück Herkunft: Schuhe aus traditioneller Fertigung (Bild: EUIPO)
Glas, Textilien, Schuhe, Porzellan, Schmuck oder Musikinstrumente – viele Produkte verdanken ihre Qualität, ihr Ansehen oder ihre spezifischen Eigenschaften der Region, in der sie entstehen. Genau hier setzt das neue Schutzsystem an: Es macht geografische Herkunft zu einem rechtlich geschützten Merkmal – sofern Qualität, Ansehen oder Eigenschaften eines Produkts wesentlich mit einem bestimmten Ort verknüpft sind.
Bereits seit dem 1. Dezember 2025 nimmt das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) Anträge auf Eintragung der Namen von handwerklichen und industriellen Erzeugnissen als geografische Angaben (CIGI) entgegen.
Das neue Register stößt auf großes Interesse – schon in der ersten Woche gingen 30 Anträge ein. Darunter die Keramik „Porcelaine de Limoges“, die Hausschuhe „Charentaise de Charente-Périgord“ und das bestickte Tuch „Lenços de Namorados do Minho“. In den kommenden Monaten werden weitere Anträge aus der gesamten Europäischen Union erwartet.
Die Registrierung als geografische Angabe berechtigt Hersteller dazu, ihre Produkte optional mit dem offiziellen Unionssymbol zu kennzeichnen. Dieses Siegel weist auf den geschützten Namen in Verbindung mit einer bestimmten Ursprungsregion hin – und signalisiert Verbraucherinnen und Verbrauchern: Hier handelt es sich um ein authentisches Produkt.
Das neue System schafft wirtschaftliche Perspektiven – besonders für kleine und mittlere Betriebe, die sich durch Herkunft und handwerkliche Qualität vom Wettbewerb abheben. Eine geschützte geografische Angabe kann ihre Marktposition stärken, das Vertrauen der Kundschaft erhöhen und den Zugang zu hochwertigen Absatzmärkten erleichtern. Auch touristisch gewinnt eine Region, wenn lokale Produkte klar erkennbar und unverwechselbar sind.
Hinter wirtschaftlichem Erfolg steht hier oft ein reiches kulturelles Erbe. Geografische Angaben helfen dabei, über Generationen entwickeltes Wissen zu bewahren – etwa traditionelle Techniken, charakteristische Materialien oder regionale Gestaltungselemente. So bleibt nicht nur der Produktname geschützt, sondern auch das handwerkliche Können, das dahintersteht.
Darüber hinaus erleichtert der Schutz die Durchsetzung von Rechten – gerade in digitalen Vertriebskanälen, wo Nachahmungen schwer zu kontrollieren sind. Mit dem offiziellen Unionssymbol wird ein rechtlicher Rahmen geschaffen, der auch international greift.
Anträge auf die Eintragung von handwerklichen und industriellen geografischen Angaben können je nach Mitgliedstaat auf zwei Wegen eingereicht werden: entweder über die jeweilige nationale Behörde oder direkt beim EUIPO. Sobald der Antrag erfolgreich geprüft wurde, wird die geografische Angabe in das Unionsregister eingetragen – der Schutz gilt dann unbefristet in allen EU-Mitgliedstaaten.
Für Produkte aus Nicht-EU-Ländern gilt: Anmeldungen müssen entweder von den antragstellenden Erzeugervereinigungen oder über die zuständigen Behörden ihres Landes beim EUIPO eingereicht werden.
Damit ein Produkt diesen Status erhält, müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein: Die manuelle Verarbeitung muss ein wesentlicher Bestandteil des Endprodukts sein – sei es mit traditionellen oder digitalen Werkzeugen. Auch industriell hergestellte Waren sind schutzfähig, sofern ihr regionaler Bezug nachgewiesen werden kann. Voraussetzung ist, dass das Erzeugnis aus einem klar definierten geografischen Gebiet stammt und mindestens ein Produktionsschritt dort stattfindet.
Laut EUIPO gelten Hunderte von Produkten innerhalb der EU als potenziell schutzfähig. Viele Regionen prüfen derzeit, ob eine Eintragung infrage kommt. Mit dem neuen System erweitert die Union ihr Instrumentarium zum Schutz geistigen Eigentums – ein Schritt, der handwerklichen Betrieben wie auch regionalen Wirtschaftszweigen neue Perspektiven eröffnet. Für Hersteller gilt: Wer auf Herkunft und Qualität setzt, kann seine Produkte künftig europaweit sichtbar machen – rechtlich abgesichert und als Teil eines gemeinschaftlichen Herkunftszeichens.
Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) ist eine der größten dezentralen Agenturen der Europäischen Union mit Sitz in Alicante, Spanien. Das EUIPO verwaltet seit 1994 die Registrierung von Unionsmarken und seit 2003 die Registrierung von Unionsgeschmacksmustern, beides Rechte des geistigen Eigentums, die für die 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten. Im Dezember 2025 nahm die Agentur ein weiteres Recht des geistigen Eigentums, nämlich geografische Angaben für Handwerks- und Industrieerzeugnisse, in ihr Portfolio auf. Das EUIPO führt auch Kooperationsmaßnahmen auf EU- und internationaler Ebene durch, um gleiche Wettbewerbsbedingungen im Bereich des geistigen Eigentums zu schaffen, und beherbergt die Europäische Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums. Im Jahr 2024 wurde das EUIPO zum fünften Mal als das innovativste Amt für geistiges Eigentum der Welt ausgezeichnet.
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