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„Labordiagnostik braucht Fachärztlichkeit“

Keine moderne Medizin ohne Labor: Rund zwei Drittel aller Diagnosen basieren auf einer Laboruntersuchung. In Deutschland gibt es mehrere hundert fachärztliche Labore, die Tag für Tag Befunde erstellen. Neue Gesetze könnten die Diagnostik auch in Apotheken und andere Institutionen verlagern – mit drastischen Folgen für Qualität und Kosten.

Fachärztliche Labore in Deutschland haben einen erstklassigen Ruf: Sie sind international bekannt und geachtet für ihre hohe Qualität. Das ist kein Zufall, sondern liegt an einer bewährten Versorgungsarchitektur, an bestens qualifiziertem Personal und der Tatsache, dass medizinische Labore fachärztlich geleitet werden. Labore in Deutschland stehen unter dem sogenannten Arztvorbehalt, also in ärztlicher Gesamtverantwortung. Konkret heißt das: Fachärzt:innen legen fest, welche Testmethoden angewendet werden und gehen hier nach medizinischen Kriterien vor. Sie verantworten die Auswahl, Führung, Aus- und Weiterbildung der dortigen Mitarbeitenden. Und nicht zuletzt beraten sie die einsendenden Ärzt:innen bei der Interpretation von Befunden, bei Indikationsstellung und Differentialdiagnose. Kurz: Dass Labore fachärztlich geleitet werden, ist sicht- und spürbar – und Garant für Qualität.

Genau diese von Patientinnen und Patienten erlebte gewohnte Qualität der Labormedizin in Deutschland droht nun in Gefahr zu geraten: Es gibt zunehmend Bestrebungen, Labordiagnostik in Apotheken oder zu anderen Institutionen mit nicht gesicherten Qualitätsstandards zu verlagern. Die bestehende, bewährte Architektur wird damit unterlaufen, es droht eine Entärztlichung diagnostischer Leistungen mit noch unbekannten, in der Erwartung jedoch eher negativen Folgen für die Ergebnisqualität, was wiederum die Kosten an anderer Stelle erhöhen könnte.

© Labor 28 MVZ GmbH 

Wenn Diagnostik in die Apotheke wandert

Unwohlsein, Schwindel – besser erstmal Blut abnehmen! Überlegungen zum Apothekenreformgesetz sowie zum Gesunde-Herz-Gesetz sehen vor, dass dies in Zukunft auch in der Apotheke stattfinden könnte. In den beiden Gesetzesentwürfen, die in der vergangenen Legislaturperiode erarbeitet wurden, ist geplant, diagnostische Leistungen stärker als bisher in Apotheken zu verlagern.

Dort allerdings gibt es weder einschlägig ausgebildetes Laborpersonal noch eine fachärztliche Leitung – und das kann im Ernstfall zum Problem werden: Labordiagnostik ist keine Dienstleistung wie jede andere. Sie folgt strengen gesetzlichen Vorgaben. Anforderungen an Durchführung, Überwachung und Dokumentation sind verbindlich festgelegt.

Wie Labore arbeiten, wird streng reguliert, etwa durch die Richtlinie der Bundesärztekammer (Rili-BÄK), die Arbeitsstätten- und Biostoffverordnung, das MT‑Berufe‑Gesetz und die Medizinprodukte‑Betreiberverordnung. Unzählige Regularien, die garantieren, dass Patient:innen labormedizinisch optimal versorgt werden. Labordiagnostik ist untrennbar mit medizinischer Verantwortung verbunden – und genau diese ist in Apotheken oder gar außerhalb der Heilberufe, etwa in Drogeriemärkten, nicht vorhanden.

„Labordiagnostik braucht Fachärztlichkeit“, fordert darum Dr. Michael Müller, Laborarzt und Vorsitzender des Verbands ALM e. V. „Aus Patientensicht und zur Wahrung von Qualität und Sicherheit in der medizinischen Versorgung ist eine Erbringung diagnostischer Leistungen außerhalb des fachärztlichen Settings klar abzulehnen. Auch im Kontext von Präventionsprogrammen gilt: Diagnostik sollte strukturiert und ärztlich verantwortet stattfinden und nicht im Verkaufsraum.“

Wer ist der ALM e. V.?

Der Verband der „Akkreditierten Labore in der Medizin“ (ALM e. V.) vertritt über 200 medizinische Labore, in denen mehr als 1.000 Fachärztinnen und Fachärzte arbeiten, darunter Labormediziner, Humangenetiker, Pathologen, Endokrinologen, Transfusionsmediziner, Zytologen, Virologen, Mikrobiologen und Immunologen. Darüber hinaus sind in den Laboren rund 500 Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler sowie mehr als 25.000 qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig. Der Zweck des Vereins ist die Förderung und Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen labordiagnostischen Patientenversorgung in Deutschland.

Warum doppelt testen doppelt kostet

Die Gesetzesentwürfe würden nicht nur die Qualität gefährden, sondern auch die Kosten nach oben treiben: „Wenn eine qualitativ nicht eindeutige Diagnostik durch Apotheker oder andere Berufsgruppen erfolgt, muss im Anschluss immer ein Arzt konsultiert werden, der anschließend erneut eine umfassende Diagnostik einleiten wird“, so Müller. Die Folge: Doppelte Diagnostik – und doppelte Kosten.

Was bleibt, ist das Ziel der Politik, diagnostische Leistungen besser zugänglich zu machen. Das allerdings ließe sich auch verwirklichen ohne die fachärztliche Beteiligung aufzuheben – und zwar, indem an bestimmten Stellen nicht nur Arztpraxen, sondern Versicherte selbst an Labore herantreten könnten. Denkbar wäre, dass sich Patient:innen in ländlichen Regionen, in denen der Weg zum Arzt weit ist, per Gutschein direkt an ein fachärztliches Labor wenden könnten. So wäre eine patientenzentrierte, qualitätsorientierte und -gesicherte Versorgung weiterhin möglich – ohne auf die ärztliche Verantwortung verzichten zu müssen.

Wie überall sonst, gilt auch im Labor: Die Leistung steht und fällt mit den Menschen, die dahinter stehen. Aber: In der Labordiagnostik können Fehler oder Ungenauigkeiten Leben kosten, und darum ist Laborqualität ein fein ausjustiertes Zusammenspiel aus Fachärzt:innen, mediznischem Fachpersonal und moderner Prozessautomation. Nicht nur Ärzt:innen, sondern auch die beteiligten medizinischen Technologi:nnen müssen erstklassig ausgebildet und qualifiziert sein.

Berufsgesetz hakt – wie man es repariert

Hier kommt das „Gesetz über die Berufe in der medizinischen Technologie“ (MT-Berufegesetz) ins Spiel, das 2023 novelliert worden ist: Das Berufsbild der Medizinischen Technolog:innen (MTL) wurde modernisiert und an die zunehmend komplexen, technologiegestützten Bedingungen der heutigen Labordiagnostik angepasst. Mittlerweile zeigt sich jedoch, dass das Gesetz erheblichen Nachbesserungsbedarf hat.

Die Finanzierung der Ausbildung ist unzureichend geregelt, wichtige Praxispartner – etwa niedergelassene Labore – werden strukturell benachteiligt. Der Zugang qualifizierter Fachkräfte wird durch bürokratische Hürden, fehlende Anerkennungsverfahren und begrenzte Ausbildungskapazitäten erheblich erschwert. Die Folge: In vielen Laboren bleiben MTL-Stellen unbesetzt.

„Es war gut und richtig, das MT-Berufe-Gesetz neu zu fassen, aber es muss nachjustiert werden“, fordert Fabian Raddatz, Sprecher der Arbeitsgruppe MTL und Geschäftsführer des Labor Berlin – Charité Vivantes GmbH. Vorhandene Ausbildungsabschlüsse müssten bundesweit einheitlich anerkannt werden und auch die Refinanzierung der Ausbildungskosten dürfe nicht vom Labortyp abhängig sein, sondern ebenfalls bundesweit einheitlich, gerecht und zukunftsfähig geregelt sein. Ein weiteres Anliegen der fachärztlichen Labore: Eine bundeseinheitliche Förderung der MTL-Schulen. „Das durch die Gesetzesnovelle abgeschaffte Schulgeld muss einheitlich durch eine verlässliche öffentliche Finanzierung ersetzt werden“, so Raddatz.

Was fordern die fachärztlichen Labore von der Politik?

  • Qualitätsarchitektur schützen: Arztvorbehalt sichern; Diagnostik nicht in Settings ohne verbindliche, fachärztliche Qualitätssicherung verlagern.
  • Personal stärken: Novelliertes Berufsgesetz nachjustieren, MTL-Ausbildung stärken, Finanzierung und Ausbildungskapazitäten ausbauen und Qualifikationsprofile an digitalisierte Prozesse anpassen.
Labormedizin schützt Leben

Labordiagnostik ist eine Dienstleistung, die Leben retten – oder auch kosten kann. Hier ohne fachärztliches Knowhow zu agieren, liegt weder im Sinne der Patient:innen, noch im Interesse der Beitragszahler.

 

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